Immer häufiger hören und lesen wir, wie wichtig es als Unternehmer:in ist, authentisch aufzutreten und ehrlich zu kommunizieren. Wir werden aufgefordert, wir selbst zu sein und uns nicht für andere zu verbiegen.
Als Selbstständige suchen wir unermüdlich nach unserem Alleinstellungsmerkmal, damit wir uns vom Mitbewerb abheben und herausstechen. Aber gleichzeitig wollen wir gar nicht wirklich auffallen. Das würde nämlich unserem lebenslangen Drang dazuzugehören widersprechen. Aber beides geht nicht! Bist du also einzig oder artig?
Ich nehme an, im Zweifel möchtest du dann doch lieber auffallen, aber ohne gleich den bunten Hund zu spielen.
Warum fällt es uns so schwer aufzufallen?
Während wir als Kinder noch nach unseren inneren Impulsen handeln, werden diese im Laufe der Jahre durch Maßregelung oder durch das Vorbild von Erwachsenen mehr oder weniger eingeschränkt. Wir beginnen Gefühle wie Angst, Freude oder einfach Ausgelassenheit im Zusammenleben mit anderen zunehmend zu kontrollieren.
Als Jugendliche orientieren wir uns dann immer stärker an den Denk- und Verhaltensweisen Gleichaltriger beziehungsweise der sogenannten „Peer-group“, zu der wir gehören möchten. Wir lernen möglichst nicht aufzufallen, damit unsere Klassenkameraden uns nicht auslachen. Speziell in der Pubertät zittern wir immer ein wenig, wie unsere Worte oder Handeln bei den anderen ankommen. Völlig unbemerkt entfernen wir uns durch diesen Anpassungsprozess immer weiter von dem, was unser Denken, Fühlen und Handeln ursprünglich geprägt hatte.
Eigene Bedürfnisse werden, weil sie dem starken Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Anerkennung, nach Identitätsentwicklung und Selbstentfaltung im Weg stehen, unterdrückt.
Hüther 2016, Wer wir sind und was wir sein könnten
Durch Ablehnung entwickeln sich in weiterer Folge körperliche Abwehrvorgänge, vor allem gegen negative Gefühle, die unterdrückt werden müssen und schwer auszuhalten sind. Das zeigt sich beispielsweise in Anspannung der Muskulatur, wodurch sich Haltungsmuster und Atmung verändern. Je häufiger und früher das passiert, desto stärker werden diese Abwehrmuster verfestigt.
Da die Erfahrungen aus Kindheit und Schulzeit uns dermaßen prägen, reagieren wir auch als Erwachsene noch mit körperlicher Anspannung, wenn wir Situationen mit alten Erfahrungen assoziieren. Also vermeiden wir es immer noch aufzufallen.
Nur leider spießt sich das ganz schön mit unserem Unternehmertum!!
Ehrlichkeit ist eine Schlüsseleigenschaft
Ich habe mich schon viel mit anderen Selbstständigen über Ehrlichkeit gegenüber Kund:innen und dem damit einhergehenden Vertrauensaufbau unterhalten. Viele haben in den sozialen Medien darüber berichtet, wie sie durch Ehrlichkeit neue Kund:innen gewinnen konnten – selbst oder gerade weil sie zugaben, dass sie etwas nicht perfekt können.
Niemand möchte etwas vorgemacht bekommen und immer mehr Menschen schätzen es, wenn wir ihnen gestehen ein Programm noch nie genutzt oder ein Projekt noch nie durchgeführt zu haben.
Die Zeiten, in denen wir bei einem Vorstellungsgespräch behaupten müssen, fließend Spanisch zu sprechen, obwohl wir in der Schule gerade mal die Grundkenntnisse erworben haben, scheinen endlich vorbei zu sein.
Verstehe mich nicht falsch, die Bereitschaft sich in neue Themen, Sprachen oder Programme einzuarbeiten, wird immer noch hochgeschätzt. Aber zum Glück scheint zumindest in der Unternehmerwelt endlich das Zeitalter der Ehrlichkeit anzubrechen.
Niemand profitiert davon, wenn du behauptet etwas zu können, was du nicht kannst – am wenigsten du!
Die logische Konsequenz ist also Transparenz in Bezug auf unsere Fähigkeiten. Wenn wir bei Kundenanfragen kurz innehalten und uns fragen, ob wir für diesen Auftrag bereit sind, gibt uns meist unser Bauchgefühl eine klare Antwort. Wir entscheiden, ob wir für ein Projekt schon kompetent genug sind oder ob wir zumindest offen sind, uns (oft kostenlos) einzuarbeiten.
Eine tolle Möglichkeit, diese Transparenz im Businessalltag zu leben und rascher Entscheidungen treffen zu können ist eine solide Businessstrategie. Eine solche Strategie baut auf Werten und Kernbotschaften, die du als Unternehmer:in vertreten möchtest, auf.
Du als Person bist einzigartig. Das solltest du nutzen!
Wenn du jetzt noch einmal an den Schulhof zurückdenkst … ein paar der Mitschüler:innen haben es trotz des Anpassungsstress geschafft, sich mit recht eigenartigen Ansichten und Kleidungsstilen durchzusetzen und somit einen neuen Trend zu generieren. Sie ließen sich nicht von den anfänglichen Blicken anderer aus der Bahn werfen und zogen ihr Ding durch. Du weißt also: es geht!
Diese Jugendlichen sind zwar nicht immer überall positiv aufgefallen, aber das haben sie in Kauf genommen. Sie waren von ihrem Handeln überzeugt oder machten sich einfach nichts aus der Meinung anderer. Und am Ende wollten alle oder zumindest viele so sein oder aussehen wie sie.
Ganz und gar man selbst zu sein, kann schon einigen Mut erfordern.
Sofia Loren
Sobald du aus der Reihe tanzt, polarisierst du automatisch auch.
Du baust deinen Unternehmensauftritt passend zu DEINER Persönlichkeit und DEINEM Alleinstellungsmerkmal auf. Somit kann es dir nur recht sein, wenn sich nur Leute von deinem Auftritt angesprochen fühlen, die auch zu dir passen. So ziehst du nämlich auch deine perfekten Kunden, Kooperationspartner:innen und Teammitglieder an.
Das Ziel ist es also deine Besonderheiten als Person mit deinen Produkten in Einklang zu bringen. Dann hast du es geschafft einen Wiedererkennungswert zu generieren.
Sei du selbst! Aber wie?
Die erste und entscheidende Frage lautet also: Wer bist du?
Ich selbst habe ein recht ausgeprägtes Bauchgefühl dafür, was mir guttut, was ich machen möchte und worin ich gut bin. Aber nicht jeder hat einen so guten Kompass von Natur aus eingebaut. Manche müssen diesen erst entwickeln.
Und auch ich stelle immer wieder fest, dass mein Kompass viel besser funktioniert, seit ich meine Unternehmenswerte und Kernbotschaften kenne.
Was ist es also, dass dir wichtig ist und wofür du stehen möchtest?
Keine leichte Frage, oder?
Ich zeige dir dazu eine kleine Übung, die dir deine Antwort erleichtern soll.
Übung für den eigenen Wertekompass
Meist fällt es uns deutlich leichter auf den Punkt zu bringen, was wir nicht möchten. Das ist nicht nur bei der Partnerwahl oder bei der Frisurenmode so – diese Taktik lässt sich auch auf dein Unternehmen anwenden.
Wenn ich zum Beispiel die Marketingstrategien und Social Media Aufritte meiner Kollegen verfolge, fällt mir rasch auf, wie ich es nicht machen möchte. Ich merke dann, wie sich in mir etwas sträubt. Dieses Gefühl solltest du auf keinen Fall ignorieren! Auch wenn die neuesten Marketing Trends möglicherweise diese Taktik vorschlagen, heißt das noch lange nicht, dass kein Weg daran vorbeiführt.
Beobachte also genau, wann dein Radar anschlägt, und dein Bauchgefühl rebelliert. Frage dich dann, was genau dich stört und warum. Wenn du weißt, was dich bei anderen stört, fällt es dir leichter Alternativen zu finden, dir zu dir passen.
Mit dieser Strategie ist es auch im Umkehrschluss einfacher festzustellen, was oder wer dich begeistert. Du wendest so eine Art Ausschlussprinzip an und entwickelst deinen eignen Werte Kompass.
Was ist ein Werte Kompass?
Ein Werte Kompass hilft dir aufgrund deiner Überzeugungen rasch Entscheidungen zu treffen, wie du als Unternehmer:in auftreten möchtest.
Die Summe deiner Erfahrungen, Talente und Kompetenzen bildet diesen Kompass. Die Werte spielen dabei insofern eine Rolle, weil sie einmal definiert werden und dir dann als Wegweiser dienen.
Sobald du weißt, wie du auf andere wirken und welchen Eindruck du hinterlassen möchtest, kannst du aus einer Palette von Werte Begriffe deine Top 5 auswählen und für dich definieren. So erhältst du mit der Zeit einen Wegweiser für deinen Unternehmensauftritt und bekommst mehr Selbstvertrauen.
Ich benutze in der Fotografie und in der Bildspracheentwicklung den Werte Kompass als Vorlage. Das bedeutet ich frage alle meine Kund:innen nach ihren Kernbotschaften und erarbeite sie gegebenenfalls mit ihnen.
Du selbst kannst dich und andere beobachten und feststellen:
- Was dich am Verhalten anderer stört
- Welche Erfahrungen du schon gemacht hast und nicht mehr machen möchtest
- Was dir Spaß macht und dich die Zeit vergessen lässt
- Was du gut kannst
- Wie du auf andere wirken möchtest
Je öfter du deine Beobachtungen festhältst, desto klarer wird dein Weg. Entscheidungen, wie du dich verhalten solltest, fallen dir leichter und deine Statements werden klarer.
Sei einzig, nicht artig!
Die Gesellschaft hat bestimmte Erwartungen an uns und an unser Business. Das liegt daran, dass unser Gehirn Überraschungen nicht besonders mag. Durch die gleichen Denkmuster, die wir im Laufe unseres Lebens über alle Situationen stülpen, entwickeln sich auch gewisse Erwartungen.
Sollten wir in einem traditionellen Wiener Kaffeehaus dann doch einmal auf einen freundlichen Kellner, mit Charme und lockerem Auftreten treffen, sind wir vermutlich überrascht. Aber endlich mal im positiven Sinn! Er entspricht zwar vielleicht nicht unseren Erwartungen, aber wir behalten ihn auf jeden Fall oder genau deshalb in Erinnerung.
Du selbst entscheidest, wie du auffallen möchtest.
Fazit: Mut zur Authentizität
Sei der Anwalt in T-shirt & Jeans, die Yoga-Lehrerin ohne Hang zur Spiritualität oder die humorvolle Steuerberaterin, die zwar niemand erwartet, aber jeder erfrischend und einzigartig finden kann.
Gerade von Handwerksbetrieben haben Menschen ein im wahrsten Sinne verstaubtes Bild. Wir sehen schmutzige Hallen und gesundheitsschädigende Arbeit vor uns. Hilf deiner Branche, diesen Ruf abzuschütteln. Zeige die Modernisierung, Digitalisierung oder einfach deinen individuellen Zugang zu deinem Beruf.
Gib dir und deinen Produkten die Bühne, auf der du dich am wohlsten fühlst. Das kann auf der Website, in den sozialen Medien oder einfach im persönlichen Gespräch sein. Komm aus deiner Komfortzone und überwinde die Angst negativ aufzufallen.
Mit etwas Mut (und Glück) schaffst du eine neue Ära!
0 Kommentare